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Programme und Materialien für den Mathematikunterricht

400-km Brevet bei ARA-Breisgau am 8. Mai 2010


So langsam sind mir diese Stunden in der Frühe vor einem Brevet bei ARA-Breisgau richtig vertraut. Aufstehen um sechs, hinein in die frisch gewaschenen Radklamotten - verbunden mit den Zweifeln, ob Anzahl und Länge angemessen sind - letzte Vorkehrungen am Rad und dann 9 km Einrollen nach Freiburg zum Augustiner bei einem Wetter, dem deutsche Meteorologen sicher bald einen speziellen Namen geben werden: ARA-Breisgau-Wetter. Darunter versteht man einen Tag mit blauem Himmel, selbst während einer längeren Regenperiode. Ich klopfe aber nun lieber drei Mal auf Holz, denn ich befürchte, irgendwann mal diese Überheblichkeit bitter bereuen zu müssen.

Urban Hilpert und Walter Jungwirth (beim 200km-Brevet 2010) Urban Hilpert und Walter Jungwirth (beim 200km-Brevet 2010)
Im Augustiner, der extra für uns zu dieser Zeit seine Pforten öffnet, fühlen mein Rennrad und ich uns sofort unter Unseres­gleichen: Im überdachten Biergarten stehen sie, die Maschinen, frisch geputzt (was sich dieses Mal wegen der Baustelle in Wolterdingen allerdings als unnötig erweisen sollte), mit geschmierten Ketten, bestückt mit Nabendynamo, Beleuchtung, mehr oder weniger voluminösen Taschen und allerlei High Tech am Lenker. Und drinnen sitzen die Randonneure, die von Außenstehenden vielleicht eher als Hasardeure angesehen werden könnten, schließlich haben wir mehr als zwei volle Arbeitstage im Sattel vor uns, am Stück! Links vom Eingang sitzt Walter mit seinem Karteikasten, denn jeder Teilnehmer bekommt eine speziell vorbereitete Karte, die an den fünf Kontrollstellen unterwegs gestempelt werden muss. Ich wage gar nicht daran zu denken, wie viel Arbeit in diesem Karteikasten steckt, unzählige Emails, Telefonate und Stunden am Schreibtisch, die für die Organisation dieser Brevet-Serie nötig waren.
Das Früh­stücks­buffet ist wieder vom Feinsten - schließlich kann sich unsereiner voll auf das Auffüllen seiner Kohlehydrat-Speicher konzen­trieren, sich netten Gesprächen widmen und den Streckenplan zu Gemüte führen, während sich die Organisatoren, die ja gleichzeitig auch Teilnehmer sind, als Ansprechpartner um die kleinen und großen Probleme der anderen kümmern müssen. Es wäre sicher interessant zu erheben, wie viele Kalorien in dieser Stunde in mehr als 60 Radfahrerkörper eingelagert werden.
     Fünf vor acht findet draußen die Besprechung statt. Folgenden Satz von Urban: "Die GPS-Fahrer müssen an zwei Dinge denken...", kann ich nicht unkommentiert lassen und meine dazu lieber mal nicht allzu laut, dass sich GPS und Denken doch widersprächen. Ich, der ich nicht mal einen Tacho am Rad habe, darf mir diesen Scherz erlauben. Die GPS-Fahrer werden mir jetzt sicher wünschen, dass ich mich mal so richtig verfahre und dann bereue, diesen Jux veröffentlicht zu haben. Eines ist aber sicher: Bei ARA-Breisgau-Brevets braucht man nicht unbedingt GPS, denn die Strecken sind hervorragend vorbereitet.
Im Spirzen kurz vor dem Thurner Im Spirzen kurz vor dem Thurner
Der nicht eingeweihte Leser wird sich vielleicht fragen wie es möglich ist, dass alle Randonneure exakt die gleiche Strecke fahren, ohne dass diese irgendwo beschildert ist. Auf einen außenstehenden Betrachter in einem Ort wie z.B. Sumpfohren wirkt es sicher wie fern gesteuert, wenn an einem Tag zig Radfahrer in kleineren Gruppen durch den Ort heizen und alle an der gleichen Stelle in eine Straße ohne Verkehrsschild abbiegen. Das Geheimnis liegt im Streckenplan! In tabellarischer Form sind die wichtigsten Eckpunkte der 400 km langen Strecke aufgeführt. Mit Symbolen für Kreuzung, Kreisverkehr und Richtungspfeilen sind die Streckeninfos knapp und effektiv dargestellt. Und was unglaublich ist: Sämtliche Angaben sind korrekt - wo erlebt man das noch heutzutage? (Dass wir in Orsingen die Eigeltinger Straße nicht finden, liegt an unserer zu geringen Konzentration bzw. zu hohen Geschwindigkeit). Zu den Abkürzungen auf dem Streckenplan sei folgende Anekdote erlaubt: Als erfahrender Randonneur mit bisher zwei gefahrenen Brevets habe ich mir tags zuvor erlaubt, die Zeichenerklärung vom Streckenplan weg zu schneiden, schließlich sind sie ja manchmal auch Minimalisten, die Randonneure.
Mein Hinweis, dass der Abzweig, der mit Oa gekenn­zeichnet war, ja wohl nicht am Ortsausgang gewesen wäre, wurde von einem meiner Mitfahrer lächelnd korrigiert, dass Oa Ortsanfang bedeuten würde. Ja, wer lesen kann, bzw. noch was zum lesen hat, ist deutlich im Vorteil.
     Mit welcher Akribie Urban diese Streckenpläne erstellt, ist unglaublich. In mehrjähriger Arbeit hat er die schönsten Radstrecken der Gegend zu den vier Brevets zusammen geführt und die Touren im Vorfeld mehrfach abgefahren. Ich sage immer, dass es sich bei einem selbst erstellten Dokument lohnt, auf Layout und Korrektheit gesteigerten Wert zu legen, wenn es von mehr als 20 Personen (oder einem Vorgesetzten) intensiv gelesen wird. Von der Zahl her ist das natürlich hier um ein Mehrfaches erfüllt, insbesondere wenn man auch an die nächsten Jahre denkt. Ich glaube, dass es nur wenige Dokumente gibt, die mit solcher Intensität und mit so viel Emotion studiert werden wie die Streckenpläne. Durchschnittlich alle vier Kilometer ist eine Information oder ein Abzweig angegeben, so dass eine einzelne Zeile im Streckenplan recht unscheinbar daher kommt.
Kontrollstelle in Bräunlingen Kontrollstelle in Bräunlingen
Eine Zeile wie →Bal­in­gen/Bä­ren­tal (33,5 km) bedeutet aber mehr als eine Stunde Fahrt und kann einiges an Leiden in sich bergen.
     Während des Brevets fixieren meine Augen neben Streckenplan und Hinterbau des Vordermannes (gemeint ist damit ein Teil seines Fahrrades!) so viele Dinge, dass ein solcher Tag so reich an Eindrücken ist, wie das sonst nur bei wenigen Tagen der Fall ist:
Morgens die Ruhe im Dreisamtal in der aufgehenden Sonne,
die Steilheit der Straße auf dem schwersten Anstieg des Tages im Spirzen (hat da jemand abends "Rollerberg" gesagt?),
die dampfenden Schneereste auf der Fernhöhe, denen das ARA-Breisgau-Wetter nur eine Lebenszeit von zwei Tagen beschert.
Die saftigen Wiesen auf der sonnigen Baar,
das beeindruckende Naturschauspiel beim Rheinfall in Schaffhausen und der Kontrast zwischen verwegenen Radfahrergruppen und eisverzehrenden Touristenscharen,
die Fahrt entlang des Untersees mit Blick zur Insel Reichenau durch unzählige Mücken­schwärme, die das Wetter wohl auch zu ausgie­bigeren Ausflügen nutzen (so wie leider auch die Autofahrer).
Die sanften Hügel des Bodanrücks und Ober­schwabens,
das Donautal mit seinen imposanten Felsen und Bauwerken,
die lieblichen Täler wie das Bärent(h)al und das Glatttal, die man in der Gruppe mühelos hinauf rollt.
Die Abfahrt in langgezogenen Kehren vom Albtrauf hinab nach Balingen (wozu ich kein Motorrad brauche),
der nächtliche Anblick des "Lindwurmes" von sieben hell beleuchteten Radfahrern in knallgelben Reflexionswesten, der beim Durchflug durch Ortschaften manchen Passanten zu spontanen Beifallsstürmen bewegt.
Windschattenfahren in den Hügeln des Hegaus Windschattenfahren in den Hügeln des Hegaus
Die hoch behackte und kurz berockte Disco­besucherin in Waldkirch, die mir urplötzlich vor Augen führt, dass es auch noch andere Menschen gibt als die sechs Kollegen, mit denen ich nun schon seit Stunden unterwegs bin.
Die Kennzeichen der deutschen Landkreise und Schweizer Kantone, durch die uns diese wunderschöne Tour führt: FR - VS - SH (CH) - ZH (CH) - TG (CH) - KN - TUT - SIG - BL - RW - FDS - OG - EM - FR
Zu keiner Zeit bedauere ich, dass ich gleich zu Beginn den Anschluss an die drei Fahrer aus der Spitzengruppe verloren habe. Auch wenn man in größeren Gruppen bei den Kontrollstellen und beim Verpflegung-Kaufen deutlich mehr Zeit "verliert", macht das Ganze mehr Spaß, wenn man eher zu den Stärkeren in einer Gruppe gehört. Die letzten 20 Kilometer darf ich die Gruppe meiner Mitstreiter dann durch die nicht ganz einfache und von einigen Richtungswechseln geprägte Anfahrt von Norden nach Freiburg lotsen. Beim Schwabentor beginnt es zu regnen, aber bis die Straße richtig nass ist, erreichen wir um 0.50 Uhr glücklich das Ziel.
Dort merke ich, dass ich doch nicht ganz konsequent bin: Kein Tacho am Rad aber trotzdem die anderen nach der Durch­schnitts­geschwin­digkeit fragen. Ein 28er-Schnitt ohne Berück­sichtigung der Pausen auf 405 km mit ca. 4500 Höhenmetern ist ein eindeutiges Maß dafür, dass die Gruppe "gut gelaufen" ist.
     Die Gaststätte Augustiner in der Schwarzwaldstraße hat für unsere besondere Gesellschaft extra bis 5 Uhr morgens geöffnet. Warmes Essen gibt es für die Radfahrer ausnahmsweise bis vier Uhr. Wegen dieses tollen Einsatzes kann ich allen Leserinnen und Lesern diese Gaststätte nur wärmstens empfehlen.
     Da nach dem Motto "Konzentration statt Konversation" auch während 17 Stunden oft nicht viel Gelegenheit für ausgiebige Gespräche besteht, nutzen wir die Gaststätte für gegenseitigen Austausch und lassen beim ein oder anderen Bierchen das gemeinsam Erlebte Revue passieren, während der Regen auf das Glasdach des Biergartens prasselt. Die Gedanken sind natürlich auch bei den 50 Radfahrern, die sich noch irgendwo auf der Strecke befinden.
Kontrollstelle nach 300 km: Tankstelle in Freudenstadt Kontrollstelle nach 300 km: Tankstelle in Freudenstadt
Wir sind uns einig, dass wir die 18%-Abfahrt hinunter ins Elztal nicht bei Regen hätten bewältigen wollen. Nach einer guten Stunde kommt die nächste Gruppe an, ziemlich durchnässt, aber nicht weniger glücklich.
Ein besonderer Dank an den Augustinerwirt und auch an die freundliche Bedienung, für die es sicher nicht nur die reinste Freude ist, eine Horde von wahrscheinlich nicht gerade wohl riechenden Radfahrern bedienen zu dürfen. Und ob die Fachsimpeleien unter den Randonneuren für Außenstehende so interessant sind, sei mal dahin gestellt. Bis kurz nach drei Uhr beteilige ich mich an den Gesprächen über unterschiedliche Trainingsphilosophien, über vergangene und geplante Touren, über die neuesten GPS-Geräte, über die (Un-)Vereinbarkeit von Langstreckenfahren und Familie und über das Privileg der Freiburger Radfahrer, nicht nur wegen des unübertroffenen Trainingsgebietes, sondern auch wegen der Nähe zur besten deutschen ARA-Gruppe. Ich kenne zwar keine andere, bin mir aber sicher, dass ich mit dieser Feststellung nicht sehr falsch liegen kann.

(Herzlichen Dank an Wolfgang Hammel für die Fotos)

Route: www.bikemap.net/route/484682


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